Hier ist der Link zu besagtem Artikel: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/bitcoin-krytowaehrungen-banken-100.html

und hier ist meine Beschwerde an die Redaktion:

 

Sehr geehrte Reaktion,

sehr geehrter Herr Nathusius,

Ich möchte hiermit eine inhaltliche Beanstandung des Beitrags „Was bleibt vom Krypto-Zauber?“ vom 06.06.2023, 08:07 Uhr, einbringen. Ich erhebe den Vorwurf mangelnder journalistischer Sorgfalt bei der Recherche des Artikels.

Diese Beschwerde richtet sich ebenfalls an die Schlussredaktion und die Chefredaktion, da handwerkliche Mängel des Beitrags auch von diesen Seiten bemerkt werden sollten.

Die Tendenz des Beitrags wirkt auffällig negativ, bisweilen sogar polemisch und erinnert an Propagandamaterial von parteiischen Interessensgruppen. Obwohl das moralisch bedenklich sein könnte, ist es sicherlich durch die Pressefreiheit gedeckt – vorausgesetzt, es handelt sich nicht tatsächlich um Propaganda von interessierten Parteien, sondern um die Meinung des Autors.

Besorgniserregend sind spezifische rhetorische Manöver und Fehlinformationen im Artikel, die entweder absichtlich eingestreut wurden oder auf Unwissenheit und unzureichende Recherche zurückzuführen sind. In jedem Fall sind sie journalistisch unangemessen.

Im Einzelnen:

Im Teaser heißt es: „Doch Anleger haben mit Bitcoin und Co. bereits viel Geld verloren.“ Während das richtig ist, haben auch viele Anleger mit Bitcoin beträchtliche Gewinne erzielt. Der Teaser allein wirkt daher verzerrt und wäre eher für ein Boulevardblatt als für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angemessen.

Sagenhafte Gewinne – reale Verluste

Dieser Abschnitt enthält einen zentralen Punkt meiner Kritik. Es ist unangebracht und unseriös, den Leser mit irreführenden Informationen zu täuschen. Ein kurzer Rechercheaufwand hätte gezeigt, dass „OneCoin“ keine Kryptowährung ist oder war, sondern ein ausgeklügelter Betrug. Der Vergleich von OneCoin mit Bitcoin oder anderen Kryptowährungen, als Warnung für potentielle Investoren in Bitcoin, ist ethisch bedenklich. OneCoin besaß nie eine eigene Blockchain und noch nicht einmal einen eigenen Kryptocoin. Es handelte sich schlicht um einen Betrug, ähnlich hunderten anderen, wobei in diesem speziellen Fall die Betrüger eine Analogie zu Bitcoin als Lockvogel einsetzten. Obwohl das dahinterliegende Schneeballsystem in Kombination mit Drückerkolonnen recht erfolgreich für die Betreiber und verheerend für die Betrogenen war, bleibt der Vergleich von OneCoin mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen unangebracht und ethisch sehr problematisch. Gleichwohl hätte der Autor auf die CumEx-Methode, die Container-Investment-Firma P&R oder viele andere Betrugsmaschen hinweisen können.

Tesla

Dieser Abschnitt suggeriert, dass der Rest der ursprünglichen Investition von anderthalb Milliarden Dollar „still und leise mit Verlust verkauft und abgeschrieben“ wurde, was irreführend ist. Meine eigenen Nachforschungen zeigen, dass Tesla kurz nach dem Kauf etwa 10% seiner Position mit einem Gewinn von 101 Millionen US-Dollar abgebaut hat(1) Eine andere Quelle berichtet, dass „nur“ US$ 140 Millionen Verluste verbucht wurden.(2) Das ist natürlich auch nicht erfreulich, aber bei Weiten nicht die durch den Text vermittelten anderthalb Milliarden Dollar minus den Rest von US$ 184 Millionen. Ein verantwortungsvoller Journalist hätte diese Zahlen genauer recherchiert und eine realistische Darstellung formuliert.

Wie Bitcoins entstehen

Die Aussage ‚Da die Menge der neu erzeugten Bitcoins begrenzt ist, profitieren nur die Bitcoin-Minen mit den schnellsten Computern‘, ist schlichtweg verwirrend ungenau und schwammig. Im Bitcoin-Mining setzen die beteiligten Computer eine Variable in eine Formel ein, um einen bestimmten Zielwert zu unterschreiten. Jeder dieser Computer kann die Formel zu jedem beliebigen Zeitpunkt korrekt lösen, sofern die Anforderungen erfüllt sind. Der Besitzer des entsprechenden Geräts erhält derzeit 6,25 Bitcoin als Belohnung für seine Rechenleistung. Wenn ein Teilnehmer zwei Mining-Geräte betreibt, verdoppeln sich natürlich seine Chancen im Vergleich zu den anderen Teilnehmern. Entscheidend ist dabei nicht nur die Anzahl der Rechner, sondern auch die Rechenleistung der einzelnen Hochleistungscomputer, die den Erfolgsfaktor erhöhen oder verringern können. Dies verändert allerdings nur die Wahrscheinlichkeit, dass die Hochleistungscomputer eines einzelnen Besitzers die Belohnung erhalten. Nicht nur die schnellsten Computer kommen zum Zuge, sondern auf lange Sicht alle – und zwar genau entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtrechenleistung aller Miner. Zudem sei angemerkt, dass die Hochleistungscomputer in den ‚Bitcoin-Minen‘ nicht unbedingt einem einzelnen Eigentümer gehören. Sie werden oft auch als Dienstleistung angeboten.

Energieverbrauch

Die Behauptung „Wegen des Energieverbrauchs und der großen Abwärme der Computeranlagen gelten Kryptowährungen als klimaschädlich“ ist eine stark vereinfachte Darstellung, die oft genutzt wird, jedoch nicht das vollständige Bild zeichnet. Solche Verallgemeinerungen können als Meinungsäußerung akzeptiert werden, aber sie stehen nicht im Einklang mit qualitativ hochwertigem Journalismus. Es ist wahr, dass das Mining von Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin, einen erheblichen Energieverbrauch aufweist und deshalb in Kritik steht. Jedoch sollte beachtet werden, dass dieser Energieverbrauch nicht zwangsläufig mit negativen Umweltauswirkungen gleichzusetzen ist. Die genauen Auswirkungen hängen stark von den Energiequellen ab, die zum Betrieb der Mining-Anlagen genutzt werden. Inzwischen werden Bitcoin Miner auch als Netzstabilisatoren und sogar zum schonenden Abbau von umweltbelastendem Methan genutzt. Zudem gibt es auch Kryptowährungen, die auf energieeffizienteren Konsensalgorithmen basieren und daher einen deutlich geringeren Energieverbrauch aufweisen. Diese sind zwar nicht so sicher wie Bitcoin und sind eher mit elektronischen Derivaten und Börsenwetten zu vergleichen, benötigen allerdings kaum mehr Storm als das herkömmliche Bankenwesen. Es ist daher essenziell, jede Kryptowährung individuell zu betrachten und nicht pauschal zu urteilen.

„Reihenweise wurden arglose Menschen ruiniert.“

Hier fehlen jedwede Quellen. Aussagen ohne solide Belege können ein verzerrtes oder unvollständiges Bild zeichnen. Die Erwähnung spezifischer Vorfälle, wie etwa Menschen in Nigeria, die angeblich durch Investitionen in Bitcoin um ihre Ersparnisse gebracht wurden, ist sicherlich ernst zu nehmen, doch es handelt sich hierbei nicht um ein spezifisches Problem von Bitcoin. Solche Betrugsfälle können bei jedem Finanzprodukt vorkommen, sei es bei Telekom-Aktien oder Subprime-Immobilienkrediten oder bei dem genannten Betrugssystem OneCoin. Außerdem ist zu betonen, dass Bildung und finanzielle Information global verteilt sind; Menschen in Nigeria sind im Durchschnitt genauso gebildet und klug wie in anderen Teilen der Welt. Es wäre deshalb irreführend und ungerecht, Bitcoin-Betrug auf ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu beschränken.

Extreme Schwankungen

Es trifft zu, dass Bitcoin im Vergleich zu staatlichen Währungen volatil ist. Allerdings ist die Aussage „Wer mit Krypto zahlt, kann schwer abschätzen, was es in echtem Geld kostet.“ eine undifferenzierte Pauschalisierung. Neben Bitcoin existieren zahlreiche andere Kryptowährungen, die sich in vielen Aspekten grundlegend von Bitcoin unterscheiden. Hier wird also eine Verallgemeinerung vorgenommen, die potenziell beunruhigend für die Leserschaft ist.

Noch gravierender ist die Implikation, dass Bitcoin durch die Gegenüberstellung mit „echtem Geld“ als „unecht“ oder „falsch“ charakterisiert wird. An dieser Stelle sollte klar differenziert werden zwischen den Begriffen „Geld“ und „Währung“. Es gibt kein per se „echtes“ Geld – dies ist ein populärer, jedoch nicht exakter Ausdruck. Bitcoin ist in der Tat Geld, allerdings in Deutschland keine gesetzliche Währung – das ist ein bedeutender Unterschied. In Ländern wie El Salvador hingegen wurde Bitcoin als gesetzliche Währung anerkannt und kann daher auch als „echtes“ Geld betrachtet werden.

Funktionen von Geld

Die Aussage „Auch andere Funktionen von Geld erfüllen Kryptowährungen nicht:“ verweist auf eine bestimmte Quelle, die jedoch ungeprüft bleibt. Tatsächlich existieren viele Bücher und Quellen zum Thema, einschließlich meiner eigenen Veröffentlichungen und Bücher, die zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Es handelt sich hierbei lediglich um die Meinung von Herrn Hagelüken. Im Kontext des Artikels wird er allerdings als hochrangige Autorität präsentiert, was nicht unbedingt der Realität entspricht. Hier wäre es ratsam, unterschiedliche Standpunkte zu berücksichtigen und mehrere Quellen zu zitieren, um eine ausgewogenere Darstellung des Themas zu gewährleisten.

Hacker und Betrüger

Der schwindelige Satz: „Dass Bitcoin & Co. nicht vor Hackern und Betrügern gesichert sind, belegen mehrere erfolgreiche Taten Krimineller.“ ist irreführend und unpräzise. Tatsächlich wurde die Bitcoin-Blockchain, also Bitcoin selbst, noch nie erfolgreich gehackt. Andere Kryptowährungen, die oft nicht den gleichen Sicherheitsstandard wie die Bitcoin-Blockchain aufweisen, waren bereits Ziel von sehr erfolgreichen Hacks, denn die von diesen verwendete „Blockchain“ entspricht meist noch nicht einmal annähernd dem Sicherheitsstandard der Bitcoin-Blockchain. Daher ist es journalistisch fragwürdig, Bitcoin und andere Kryptowährungen ununterschieden zusammenzufassen.

Darüber hinaus bleibt unklar, was mit „mehrere erfolgreiche Taten Krimineller“ konkret gemeint ist. Bezieht sich dies auf einen Hack der Bitcoin-Blockchain? Es ist wohl absurd zu erwarten, dass ein technisches System wie die Bitcoin-Blockchain sich selbstständig vor Betrügern schützen kann. Dieser Satz könnte allenfalls in Bezug auf Skandale wie OneCoin verwendet werden, ist aber in Bezug auf Bitcoin journalistisch instabil.

Kriminelle, Terroristen und korrupten Regime

In gleicher fahrlässiger Weise geht es dann weiter mit den Verweis „Daher werden Kryptowährungen von Kriminellen, Terroristen und korrupten Regimen verwendet…“. ist stark vereinfachend und übergeht wichtige Fakten. Kriminelle, Terroristen und korrupte Regimes nutzen auch Bargeld, Diamanten, Gold und viele andere Mittel für illegale Transaktionen. Laut Berichten der Analysefirma Chainalysis wurden im Jahr 2022 rund 20,1 Milliarden US-Dollar für illegale Aktivitäten mit Kryptowährungen genutzt. Dabei ist zu beachten, dass etwa 44% dieser Summe auf Aktivitäten in Zusammenhang mit sanktionierten Instanzen zurückzuführen sind, was vermutlich auf den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland zurückzuführen ist. (3) Es ist auch wichtig, zwischen Bitcoin-Transfers und Transfers mit anderen Kryptowährungen, etwa Stablecoins, zu unterscheiden, die nichts mit Bitcoin zu tun haben. Transaktionen mit Bitcoin sind tatsächlich leicht nachzuvollziehen und stellen daher für Behörden ein effektives Mittel zur Beweissicherung dar.(4)

Von zentraler Bedeutung ist jedoch eine andere Zahl: Schätzungen zufolge belaufen sich die weltweit illegalen Transaktionen auf zwischen 800 Milliarden und 2 Billionen US-Dollar. Das bedeutet, dass laut Chainalysis nur etwa 1-2,5% dieser illegalen Transaktionen mit Kryptowährungen durchgeführt werden. Daher kann die Aussage, dass Kryptowährungen überwiegend für illegale Aktivitäten genutzt werden, als irreführend und unsachgemäß betrachtet werden.(5)

Der Autor zieht schließlich die Schlussfolgerung: „Das deutet darauf hin, dass Bitcoin & Co überbewertet sein könnten, ihr derzeitiger Wert also bedroht ist.“ Diese Aussage findet jedoch weder Unterstützung in dem zuvor dargestellten, diskussionswürdigen Gesamttext, noch entspricht sie den Aussagen des zitierten Herrn Wewel, der im Gegenteil eine Interpretationsmöglichkeit in die entgegengesetzte Richtung gegeben hat.

Für weitere Sachdebatten stehe ich gerne zur Verfügung.

(1) https://techcrunch.com/2023/01/31/tesla-records-204m-loss-from-bitcoin-in-2022/

(2) https://www.bbc.com/news/technology-64428257

(3) https://blog.chainalysis.com/reports/2023-crypto-crime-report-introduction/

(4) https://medium.com/@bitcoinknowhow/bitcoin-nutzen-doch-nur-kriminelle-3123add83dc3

(5) https://www.mckinsey.com/capabilities/risk-and-resilience/our-insights/managing-financial-crime-risk-in-digital-payments

Mit freundlichen Grüßen
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